Vorbereitung auf das Vorstellungsgespräch

Karriereberaterin Petra Oerke beim Bewerbungstraining mit einem Kunden

Souverän auftreten und reden – von Großmäulern und Miesepetern

„Als zurückhaltender Mensch ist mir das Auftreten von Großmäulern zuwider. Mit ihrem Getöse beanspruchen sie geradezu zwanghaft die Aufmerksamkeit ihrer Umgebung.“ So kann man das sehen. Oder auch anders: „Als aktiver Mensch kann ich Miesepeter nicht ausstehen. Anstatt sich am Geschehen zu beteiligen, ermahnen sie ihre Umgebung unentwegt zu Ruhe und Disziplin.“

Ist Ihnen diese Situation bekannt? Bewerten Sie sie aus der ersten oder der zweiten Perspektive? Vermutlich schwankt dies bei Ihnen wie bei den meisten Menschen je nach Anlass und Stimmung. Und auch wie Ihr Auftreten von anderen gesehen wird, ob als das eines Großmauls oder Miesepeters, ist herzlich egal – außer Sie befinden sich gerade in einer für Sie wichtigen Situation: einem Vorstellungsgespräch, einem Assessmentcenter, in der Probezeit oder einer Gehaltsverhandlung. – Dann wäre es schon schön, wenn Ihr Gegenüber Ihre Sichtweise teilt.

Wie Sie souverän auftreten und reden, unabhängig von Ihrer möglicherweise intro- oder extrovertierten Disposition, darum geht es in den folgenden Anregungen. Viele der Tipps zum Einsatz von Körpersprache und Stimme, dem Beherrschen von Inhalten und Bewertungen sowie der Vorbereitung der Situation können sofort umgesetzt werden, anderes bewältigen Sie mit etwas Übung.

(1) Sichtbar auftreten: Körpersprache und Stimme beherrschen

Noch bevor Sie sprechen, teilt Ihre Körpersprache Ihrer Umgebung schon Ihre Verfassung mit. Und noch bevor der Inhalt des Gesagten erfasst werden kann, verrät Ihre Stimme, ob Sie sich freuen, Sie aufgeregt oder wütend sind. Es ist schwer, nonverbale Signale zu beherrschen, werden diese doch zu einem Großteil von unbewussten Prozessen gesteuert. Doch folgende Rituale können Sie im Alltag einüben, sodass Ihre Präsenz davon auch in Situationen profitiert, in denen es darauf ankommt:
Stehen und sitzen Sie aufrecht. Belasten Sie beide Füße gleichmäßig und setzen Sie sich auf Ihrem Stuhl zurück. Eine aufrechte Körperhaltung und Kontakt zu Boden oder Rückenlehne sieht nicht nur selbstsicher aus, sondern gibt Ihrem Auftreten im wahrsten Sinne auch Rückhalt.
Wenden Sie sich Ihrem Gesprächspartner frontal zu. So zeigen Sie volle Aufmerksamkeit, fordern diese aber auch ein, notfalls zusätzlich, indem Sie die Sphäre Ihres Gegenübers durch eine Bewegung nach vorn touchieren.
Betonen Sie mit Gesten das Gesagte. Wählen Sie ein paar ruhig raumgreifende Gesten aus, die zu Ihnen passen und die Sie in verschiedenen Situationen einsetzen können. Versuchen Sie dagegen Herumgezappel und persönliche Ticks (z. B. Knibbeln, Scharren) in den Griff zu bekommen.
Setzen Sie Ihre Mimik bewusst ein. Mit Ihrem Gesichtsausdruck können Sie ebenfalls Sprachinhalte (eigene und die Ihres Gesprächspartners) spiegeln. Erlauben Sie sich in einer intensiven Kommunikation die ganze Bandbreite. In angespannten Situationen hilft es außerdem, zu lächeln: Die beteiligten Muskelgruppen senden Entspannung an das Gehirn. Sie werden automatisch entspannter, Ihr Auftreten lockerer …
Atmen Sie ruhig und tief. Langes Ein- und Ausatmen signalisiert dem Körper ebenfalls eine ruhige Geisteshaltung, das Zwergfell entspannt sich, ihre Stimme wird voller und tiefer.
Sprechen Sie angenehm. Machen Sie es sich zur Gewohnheit, so sprechen zu wollen, dass Ihr Gegenüber Ihnen gerne zuhört. Dann harmonisieren sich automatisch Atmungs- und Sprachvorgang und Sie finden zu Ihrer optimalen Stimmlage.
Last but not least: Treiben Sie – wenn möglich – regelmäßig Sport. Eine gute Körperspannung und gute Körperbeherrschung tragen zu einem vitalen Auftreten bei. Ausdauersport sorgt zudem für mehr Ausgeglichenheit. Das kann auch der auf dem Rad zurückgelegte Arbeitsweg oder der flotte Spaziergang in der Mittagspause sein.

Es wird nicht alles sofort und gleichzeitig gelingen. Aber wenn Sie sich jeden Tag ein Ritual vornehmen, gehen Ihnen diese irgendwann in Fleisch und Blut über. Und anstatt vorgefertigte Lösungen zu übernehmen, entwickeln Sie eine eigene, mit Ihrer Persönlichkeit übereinstimmende nonverbale Kommunikation.

(2) Vorbereitet auftreten: Inhalte festlegen und loswerden

Wichtige Gesprächssituationen sind meist im Vorhinein bekannt. Das ist das Gute an ihnen, denn dadurch kann man sich inhaltlich ausgezeichnet vorbereiten. Je nach Anlass des Gesprächs können Sie Ihre Argumente und Gesprächsinhalte festlegen, die Sie unbedingt sagen wollen. Ebenso wichtig ist die Festlegung von Inhalten, über die Sie nicht (länger) sprechen wollen. Zwei Beispiele:
Im Vorstellungsgespräch ist es unerlässlich zu sagen, warum Sie die Stelle haben wollen und was Sie von Ihren Erfahrungen, Kenntnissen und Ihrer Persönlichkeit dafür prädestiniert. Nicht sprechen wollen Sie möglicherweise über eine Lücke im Lebenslauf aufgrund von Krankheit, über einen Studienabbruch oder plötzlichen Stellenwechsel. Legen Sie sich dafür eine kurze schlüssige Begründung zurecht und leiten Sie dazu über, was Sie daraus gelernt haben und wovon Sie auch in der neuen Stelle profitieren werden.
Bei der Gehaltsverhandlung können Sie mit gelungener Einarbeitung, messbaren Leistungen und Erfolgen sowie einem Zuwachs an Wissen, Erfahrung oder Verantwortung punkten. Wenig überzeugend dagegen sind gestiegene Lebenshaltungskosten, lange Anfahrtswege, die Gehälter von Kollegen oder der reine Zeitablauf (außer Sie haben lange keine Gehaltserhöhung mehr erhalten). Auch hier ist es für kritische Aspekte (nachlassende Auftragslage, rückläufiges Ergebnis) hilfreich, eine reflektierende Argumentation mit einem auf die Zukunft gerichteten Lösungsansatz vorzubereiten.

Neben den vorhersehbaren Gesprächsinhalten können Sie weitere Inhalte antizipieren und einbringen.
In der Argumentationsphase in Vorstellungsgesprächen, Gehaltsverhandlungen, Jahresgesprächen oder Ähnlichem werden gerne Beispiele als eine Art Arbeitsprobe eingesetzt. Sie werden gefragt, wie Sie in einer bestimmten Situation handeln würden. Solche Beispiele können Sie sich durch die Vergegenwärtigung der Aufgaben vorstellen, die in einer neuen Position auf Sie zukommen werden. So sind Sie nicht überrascht von der Frage. Darüber hinaus können Sie sich selbst Beispiele zu Aufgaben, Leistungen und Erfolgen aus Ihrer bisherigen Berufserfahrung überlegen, die den zukünftigen Aufgaben nahekommen, und diese aktiv einbringen.
Flankiert werden Präsentationen auf Teammeetings, Aufgaben im Assessmentcenter oder die Argumentationsphase im Vorstellungsgespräch von eher informellen Gesprächssituationen, zum Beispiel während einer Kaffeepause oder eines gemeinsamen Essens. Bei der starken Konzentration auf die Hochleistungsphasen des Termins kann einem, wenn der Druck nachlässt, schnell die Luft ausgehen. Vielleicht gehören Sie aber zu den Menschen, die sich in jeder Lebenslage leichter Konversation bedienen können. Ansonsten legen Sie sich lieber ein paar anregende, unverfängliche Themen zurecht wie aktuelle Urlaubspläne, neue Restaurants in der Stadt, Auswahl eines Familienhundes etc., mit denen Sie ein Gespräch in Gang bringen können und so auch beim Smalltalk souverän auftreten.

Machen Sie eine Liste Ihrer Argumente, Beispiele und anderen Gesprächsinhalte, die Sie in der jeweiligen Gesprächssituation anführen wollen, und nutzen Sie eine Erinnerungstechnik, um nichts zu vergessen. Bringen Sie Ihren wichtigsten Punkt zu Anfang als starken Einstieg, aber verschießen Sie dann nicht Ihr ganzes Pulver sofort, sparen Sie sich den zweitwichtigsten Punkt für das Ende auf. Anfang und Ende einer Argumentationskette bleiben am stärksten im Gedächtnis haften.

Nicht selten höre ich von meinen Kunden, dass sie den Themen und Fragen perplex gegenüberstanden und dann irgendetwas „dahergeplappert“ haben, um überhaupt etwas zu sagen. Dagegen hilft erstens eine gründliche Vorbereitung (siehe oben) und zweitens erst denken, dann reden! Oder im Zweifel auch nachzufragen (das verschafft etwas Zeit und die Sicherheit, die Frage verstanden zu haben) oder das schlichte Eingeständnis, zu diesem Thema zurzeit nichts sagen zu können (wohl aber in Zukunft).

(3) Unbeschwert auftreten: innere Bewertungen überprüfen

Manch einer ist sich jedoch selbst das größte Hindernis. Eine Kundin erzählte mir jüngst von ihrer Schwierigkeit, sich in Vorstellungsgesprächen konzentrieren zu können. Sie sei so stark mit sich selbst und ihren Gedanken beschäftigt, dass sie die Fragen kaum verstehe, geschweige denn, das Geschehen objektiv beurteilen oder positiv beeinflussen könne.

Bei dieser Schilderung habe ich mir lebhaft vorgestellt, wie bei meiner Kundin der „innere Kritiker“ auf der einen Schulter und das „ängstliche Mädchen“ auf der anderen Schulter saßen und ihr permanent ins Ohr flüsterten: „Du kannst das nicht!“, „Die mögen dich nicht!“ und „Was bildest du dir überhaupt ein!“ Kein Wunder, dass sie nichts verstanden hat. Es war einfach zu laut!

Nach dem „Persönlichkeitsmodell des inneren Teams“ von Friedemann Schulz von Thun haben wir alle ein Team verschiedener Persönlichkeiten (unsere Persönlichkeitsanteile) in uns, die uns das Leben schwer oder leicht machen können. Ohne hier auf die komplexe Arbeit mit dem Persönlichkeitsmodell eingehen zu können, sei doch vereinfacht Folgendes gesagt: Schon im Vorfeld eines wichtigen Termins sich mit den kritischen Stimmen auseinanderzusetzen, wenn diese überhandnehmen, ist sinnvoll. Woher kommt deren Einschätzung? Ist sie möglicherweise zu einem früheren Zeitpunkt im Leben entstanden, und ist sie in dieser Situation überhaupt noch angemessen?

Gleichzeitig können die ebenfalls vorhandenen, aber leiseren Teammitglieder nach vorn geholt werden. Diese sind vermutlich dafür zuständig, dass es überhaupt zum Vorstellungsgespräch, zur Gehaltsverhandlung oder zu einem Vortrag kam. Das sind zum Beispiel die „kompetente Fachkraft“ oder die „ermunternde Freundin“. Diese Stimmen sagen vermutlich: „Du hast umfangreiche Kenntnisse und viel Erfahrung!“ und „Es ist nicht einfach, meine Liebe, das stimmt, aber ich weiß genau, dass du dem gewachsen bist!“ Diesen wohlwollenden Stimmen zuzuhören kann mehr Selbstbewusstsein verleihen und Mut zusprechen.

Vielleicht haben Sie ja in Ihrer Umgebung auch reale Personen, die Sie bei Ihrem Vorhaben unterstützen würden. Lassen Sie sich von ihnen Situationen vergegenwärtigen, in denen Sie kompetent gehandelt haben und souverän aufgetreten sind, oder visualisieren Sie selbst bravourös gemeisterte Auftritte. Oft hilft es, sich vorzustellen, mit einem Kunden oder Klienten zu sprechen und diesen für sich gewinnen zu wollen, denn das ist eine formelle Situation, die die meisten Berufstätigen sehr gut beherrschen.

(4) Adressatengerecht auftreten: Gesprächssituation und Beteiligte berücksichtigen

Abschließend sei noch eine weitere Möglichkeit erwähnt, die hilfreich bei der Einstimmung auf wichtige Termine ist. Selbstverständlich sollte es sein, sich vorher über Anfahrtswege etc. Gedanken zu machen, sodass pünktliches Erscheinen gesichert ist. Denn nichts stresst mehr, als in letzter Sekunde oder gar zu spät angehetzt zu kommen. Dann cool zu bleiben ist wohl dem wundersamen Mr. Ripley oder Hochstapler Felix Krull gegeben, doch den wenigsten von uns.

Wenn Sie dann noch Ihre Aufmerksamkeit auf die am Gespräch Beteiligten und die räumliche Situation richten, können Sie sich im Vorfeld bestens einstimmen. Wer nimmt teil, der gesamte Vorstand oder nur die Fachleitung? Wie viele Personen sind zu erwarten? Welche Interessen haben diese Personen? Welche Ausdrucksweise (eher respektvoll, fachlich oder kollegial) ist für welche Person angemessen? In welchem Gebäude, welchem Raum findet der Termin statt? Werde ich stehen oder sitzen, wie viel Abstand habe ich zu den anderen?

Besonders wichtig finde ich die Frage danach, welche Themen die Anwesenden interessieren werden. Sie können anhand der Antwort Gesprächsinhalte gezielt vorbereiten. Eine Personalleiterin wird sich zum Beispiel weniger für Ihr Spezialgebiet interessieren, etwa die Feinheiten der Programmierung selbstfahrender Autos oder die Frühförderung von sprachlich und motorisch beeinträchtigten Kindern, sondern eher dafür, ob Sie eine widerstandsfähige Persönlichkeit sind, die den Belastungen des Tagesgeschäfts oder den Anforderungen komplexer Projekte gewachsen sein wird.
Die Aufmerksamkeit einer Zuhörerschaft, die sich zu großen Teilen aus gewerblichen Fachkräften zusammensetzt, werden Sie eher durch die Schilderung konkreter Fallbeispiele erreichen als durch die Beschreibung theoretischer Konstrukte, die dem Entwicklungsteam vorbehalten sein sollte.

Die Auseinandersetzung mit der Gesprächssituation und den Beteiligten wird Sie im Vorfeld schon mit dem Anlass vertraut machen und Sie werden allein dadurch an Sicherheit gewinnen, die sich in Ihrem Auftreten widerspiegelt. In jedem Fall werden Sie, wenn nicht durch Jobzusage oder Beifall, so doch durch einen echten Austausch mit Ihrem Gegenüber oder dem Publikum dafür belohnt, dass es Ihnen gelungen ist, sowohl inhaltlich als auch formal adressatengerecht zu sprechen!

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