Assessmentcenter – spielerisch trainieren

Karriereberaterin Petra Oerke im Assessmentcenter-Training mit einem Kunden

Vorbereitung auf ein Assessmentcenter

Es gab ein paar Jahre, da wurde keine Kundin, kein Kunde mehr zu einem Assessmentcenter eingeladen. Neuerdings erlebt dieses Tool in der Personalauswahl aber offensichtlich eine Renaissance. Hier die wesentlichen Hinweise zur praktischen Vorbereitung und mentalen Einstimmung auf ein AC.

To assess bedeutet bewerten, beurteilen, einschätzen. Ein Assessmentcenter dient größeren Unternehmen und Organisationen dazu, die Eignung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bei der Personalauswahl und der Personalentwicklung zu überprüfen. Schwerpunkte und Umfang des Assessmentcenters sind dabei von der Position abhängig: Ein Gruppen‑AC, an dem meist zwischen vier und acht Personen teilnehmen, kann von einem halben Tag bis zu drei Tage dauern. Einzel-Assessments dagegen sind in der Regel kürzer und finden eher bei der Auswahl von Führungskräften und Experten statt.

So veranstaltet zum Beispiel die Stadt Osnabrück bei der Besetzung von Abteilungsleitungen ein Einzel-Assessment, das eine Präsentation, eine Fachaufgabe und ein Mitarbeitergespräch umfasst. Zur Eignungsbeurteilung von Vertriebsingenieuren werden von einigen Gesellschaften neben einer Fachaufgabe auch psychologische Tests angewendet. Ausbildungsplatzinteressierte müssen sich eher auf Wissenstests (häufig auch elektronisch vorgeschaltet) und eine Präsentation einstellen. Bewerber um ein duales Studium sehen sich außerdem mit Gruppendiskussionen konfrontiert.

Klassische Assessmentcenter bestehen aus Einzel- und Gruppenübungen, wobei die am häufigsten eingesetzten Übungen das Interview, der Eignungstest, die Präsentation, die Fachstudie, das Rollenspiel und – mit rückläufiger Tendenz – die Gruppendiskussion sind.

Ziel dieser Übungen ist es, unter realitätsnahen Bedingungen Fähigkeiten und Eigenschaften der Bewerber- und Bewerberinnen zu testen, die dem Unternehmen für die Stelle erforderlich erscheinen. Die Teilnehmer werden bei der Durchführung der Übungen bewertet von Beobachtern: Führungskräften des Unternehmens und/oder Mitarbeitern von Beratungsunternehmen, häufig Psychologen. Auf einen Beobachter (manchmal auch Assessoren genannt) kommen ein bis zwei Teilnehmer.

Die häufigsten Übungen im Assessmentcenter

Interview

Wenn Sie sich in einer Bewerbungsphase befinden, haben Sie sich bereits mit der Vorbereitung auf ein Vorstellungsgespräch beschäftigt. Um nichts anderes als um ein strukturiertes Vorstellungsgespräch handelt es sich bei einem Interview im AC. Gelegentlich wird das Interview gleich mit einer Präsentation (siehe unten) verknüpft. Dann sollen Sie Ihren Werdegang mit Bezug auf die Position, für die Sie sich interessieren, vor der Gruppe und/oder den Beobachtern präsentieren. Daher als wichtigste Empfehlung für die Vorbereitung auf ein AC wie auf ein Vorstellungsgespräch: Überlegen Sie sich zu jeder Station auf Ihrem Werdegang, was Sie Wesentliches darin gelernt oder erfahren haben, und erläutern Sie, inwiefern Ihnen dies für die neue Stelle von Nutzen erscheint.

Eignungstests

An anderer Stelle habe ich bereits ausführlicher zu Persönlichkeitstests und Leistungstests zur Personalauswahl und Mitarbeiterentwicklung geschrieben. Daher hier nur kurz zu diesen beiden grundlegenden Arten von Eignungstests, die in Rein- oder Mischform genutzt werden:
Persönlichkeitstests sollen Persönlichkeitseigenschaften im Hinblick auf die Eignung für eine bestimmte Position ermitteln. Dabei beantworten Sie als Kandidat oder Kandidatin meist Fragen zur Selbsteinschätzung und Fremdeinschätzung Ihrer Persönlichkeitseigenschaften. Doch die meisten Persönlichkeitstests sind durchschaubar. Sie können sich also vorher überlegen, welche Persönlichkeitseigenschaften in der Rolle erwartet werden. Wenn Sie dann in diesem Modus antworten, werden Sie aller Voraussicht nach gut abschneiden.
In Leistungstests werden zu bestimmten Leistungsbereichen Problemstellungen vorgegeben, die zu lösen sind. Beurteilt werden die Menge der richtigen Lösungen, die Qualität der Lösungen, die aufgetretenen Fehler und die Lösungszeit. Diese Tests ermöglichen eine zuverlässige Aussage über das kognitive Potenzial künftiger Mitarbeiter/innen. Die beste Vorbereitung ist die Beschäftigung mit den Inhalten von Intelligenztests, allen voran Sprachverständnis, mathematisches und logisches Denkvermögen sowie Wissen zu Gesellschaft und Politik. Ihre Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisleistung können Sie dann durch einfaches Training, also das häufige Durchführen verschiedener solcher Tests steigern.

Präsentationen

Der Inhalt einer Präsentation im AC kann ganz unterschiedlich sein. Zum Beispiel können Sie gebeten werden, Ihren Werdegang vorzustellen. Oder Sie sollen die Lösung einer Fachaufgabe präsentieren, die Ihnen vorab zur Bearbeitung gegeben wurde. Unabhängig von den Inhalten, können Sie eine Präsentation am besten vorbereiten und erfolgreich durchführen, wenn Sie folgende einfache Regeln beherzigen:
Konzentration auf das Wesentliche – Stichpunkte notieren, im Vortrag erläutern, ein Beispiel geben, Details weglassen
Visualisierung der Inhalte – besonders ansprechend als Grafik oder Mindmap, alternativ wenigstens als Aufzählung mit Überschrift
Adressatengerechte Ansprache durch Hinwendung zum Publikum und dessen Einbezug in die Präsentation – gedanklich, sprachlich, körperlich

Fachstudie

Fachstudien werden unterschiedlich gestellt. Häufig habe ich erlebt, dass Unternehmen oder Organisationen Aufgaben wählen, die diesen bei der Lösung realer Probleme helfen können (womit im Nebeneffekt gleich ein paar Ideen generiert werden). Dies kann der Entwurf eines Konzepts sein, das der Erfüllung der Hauptfunktion der Stelle dient, um die Sie sich beworben haben. Bei der Auswahl von Führungskräften wird oft schon in der Einladung zum AC die Aufgabe vergeben (was die Qualität der erarbeiteten Lösung erhöht).

Bei der Vorbereitung auf die Bearbeitung einer vorher unbekannten Fachaufgabe liegen Sie richtig, wenn Sie sich mit den Leistungsangeboten der Organisation, deren Wettbewerbssituation und den Aufgaben der angestrebten Stelle befassen. Weitere mögliche Inhalte decken Sie ab durch die Rekapitulation Ihrer bisherigen Tätigkeitsschwerpunkte, wesentlicher Projekte und dabei erfolgreich eingesetzter Strategien und Umsetzungen.

Im AC wird die Fachaufgabe schriftlich gestellt, die Erarbeitungsphase variiert zwischen 15 und 60 Minuten, wobei Sie die Lösung entweder nur schriftlich festhalten sollen oder auch anschließend präsentieren können (siehe oben).

Rollenspiel

Als Rollenspiele kommen zumeist das Mitarbeitergespräch (bei der Auswahl von Führungskräften) und das Kundengespräch in Form eines Verkaufs- oder eines Beschwerdegesprächs zum Einsatz.
In der Regel erhalten Sie vorab eine kurze Beschreibung der Ausgangssituation und können sich etwa fünf Minuten auf diese einstellen. Einer der Beobachter übernimmt die Rolle Ihres Gegenübers, häufig ist ein weiterer Beobachter als Zuschauer anwesend.
Im Mitarbeitergespräch kann zum Beispiel ein Jahresgespräch, ein Kritikgespräch oder eine Gehaltsverhandlung simuliert werden. Neben den objektiven Tatsachen offenbaren sich im Verlauf (entsprechend der Ihnen unbekannten Rollenanweisung für Ihren Gesprächspartner) oft auch Herausforderungen, die in der Person des Mitarbeiters liegen. Ihre Aufgabe als Führungskraft ist es daher, eine Vertrauensbasis herzustellen, um diese privateren Anteile mit berücksichtigen zu können. Gleichzeitig müssen Sie aber immer Ihre Rolle und das Ziel des Gesprächs im Blick behalten.
Im Kundengespräch überzeugen Sie am meisten durch Interesse, Offenheit und Empathie. Achten Sie auf die Stimmung des Kunden – schwingen Sie sich gut auf Ihr Gegenüber ein – und stellen Sie durch Nachfrage und Paraphrasieren sicher, dass Sie dessen Bedürfnisse in vollem Umfang erfasst haben. Dann werden Sie im Verkauf wie bei einer Reklamation eine Lösung anbieten können, die gerne angenommen wird.

Mehr zum Thema Kommunikation in schwierigen Situationen finden Sie im Artikel „GFK Gewaltfreie Kommunikation – wie eine konstruktive und partnerschaftliche Kommunikation“ gelingt.

Gruppendiskussion

Gruppendiskussionen als AC‑Aufgabe finden sich nicht mehr so häufig. Die Rückläufigkeit dieser AC‑Aufgabe liegt vermutlich darin begründet, dass deren Organisation und Durchführung recht aufwendig ist. Außerdem besteht die Gefahr der Fehleinschätzung gerade bei jüngeren Teilnehmern, deren Persönlichkeits­entwicklung noch in vollem Gange ist.

Es gibt folgende Arten von Gruppendiskussionen:
Freie Diskussion zu einem vorgegebenen oder von der Gruppe selbst zu wählenden Thema
Diskussion mit verteilten Rollen zu einem vorgegebenen Thema
Geführte Diskussion, wobei die Leitungsfunktion entweder per Rolle verteilt oder ein Teilnehmer aus der Gruppe zum Leiter bestimmt wird

Idealerweise begegnen Sie in einer Diskussion – wie schon im Rollenspiel – den anderen Teilnehmern mit Interesse, Offenheit und Empathie, ohne dabei allerdings Ihre Position zu vergessen, die Sie (qua Rolle) vertreten. Sicherlich sollen Sie Überzeugungskraft und Durchsetzungsstärke zeigen, doch ebenso wichtig sind Kontakt‑, Kommunikations- und Moderationsfähigkeit.

Wenn Sie zu den Menschen gehören, die sich in Gruppendiskussionen nicht immer wohl fühlen, können Sie sich vor allem auf Ihre Stärken konzentrieren, also vielleicht die Diskussion durch einen weiteren Aspekt bereichern oder durch Strukturierung voranbringen. Zu Techniken, wie Sie sich Gehör verschaffen, lesen Sie auch den Artikel „Ran an die Macht: wichtigste Verhaltensregel in der Hierarchie“.

Konstruktionsübung

Meine absolute Lieblingsaufgabe im AC ist die Konstruktionsübung! Dabei handelt es sich um eine handfeste Aufgabe, bei der die Gruppe zusammen ein Ziel erreichen soll. Leider wird sie nicht mehr so häufig angewendet. Gibt es genügend Teilnehmer, werden auch manchmal zwei Gruppen gebildet, die gegeneinander antreten. Das ist noch unterhaltsamer.

Innerhalb kurzer Zeit entscheidet sich bei einer solchen Übung, wer die Führung haben möchte und wer sie übernimmt, wer sich durch praktische Fähigkeiten oder Körperbeherrschung auszeichnet, wer logisch und wer strategisch denken kann! Eigentlich ist bei einer Konstruktionsaufgabe für alle etwas dabei, nur nicht mitmachen, das geht nicht. Auch schüchterne Menschen kommen hier besser auf ihre Kosten, denn es steht das gemeinsame Ziel und nicht ihre Person im Mittelpunkt.

Die beste Vorbereitung auf Konstruktionsübungen sind Spieleabende mit Gesellschaftsspielen in einer großen Gruppe. Ich finde auch den Kletterpark zur Einstimmung ganz ausgezeichnet. Also – immer rein ins Getümmel!

Mentale Einstimmung auf ein Assessmentcenter

Sie werden es bei der letzten Aufgabenbeschreibung gemerkt haben: Ein AC kann als interessantes Gesellschaftsspiel aufgefasst werden. Alle Teilnehmer sind aufgeregt und wollen ihr Bestes geben, aber wenn mal etwas nicht gelingt, macht das – aufs Leben gesehen – eigentlich keinen großen Unterschied. Denn wenn Sie verlieren, kommen Sie höchstens auf Start zurück! Mit anderen Worten, Ihnen kann nichts genommen werden, sondern Sie können nur etwas gewinnen: ein Teilnehmer die Stelle und alle anderen an Erfahrung. Diese Herangehensweise ist meiner Meinung nach ideal für ein AC, denn sie nimmt der Situation die Schwere und beflügelt im Umgang mit Beobachtern und Mitbewerbern.

Dies ist im Übrigen auch die Haltung, mit der Sie bei den inoffiziellen Übungen punkten: bei der Begrüßung, in den Pausen und bei der Abschlussrunde. Bleiben Sie sich – im Rahmen der Situation – selbst treu, betrachten Sie das Ganze als Herausforderung, die es mit Sportsgeist zu bewältigen gilt. Dann werden Sie sich anstrengen, alle anderen aber immer als Ihre Teamkollegen oder als Linienrichter anerkennen.

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